OB Seidel bei der Expo in Shanghai / China und in der Partnerstadt Jingjiang

Die Expo Shanghai schloss am 31. Oktober ihre Pforten. Über 70 Millionen Besucher lie ßen sich in ihren Bann ziehen. Gegen Ende der sechsmonatigen Supershow flog eine De legation des Bundes Deutscher Baumeister, Architekten und Ingenieure zu einer Informati onsreise nach Shanghai, Qiangdao und Peking.

Mit dem Transrapid legte die Reisegruppe die Strecke vom internationalen Flughafen Shanghai Pudong in die Stadt in acht Minuten zurück. Das Renommierprojekt der Firma Siemens beschleunigte auf Energie verschleudernde 431 km/h, um dann wieder abzu­bremsen. Wer jetzt denken sollte, dass die Landschaft in einen Schwindel verursachen den Nebel eintauchte, wurde neben dem mit Spannung verfolgten Geschwindigkeitsanzei ger mit eindrucksvoll vorbeirauschenden Stadtansichten überrascht. Die imposante Skyli ne des neuen Stadtteils Pudong zeigte sich mit atemberaubenden Ansichten. Gigantisch recken die Wolkenkratzer ihre Stockwerke in den Himmel. Sie wetteifern an Größe und ar chitektonischer Einzigartigkeit miteinander. Da erstrahlt der kugelbauchige Fernsehturm in frechem rot-orange, eine orientalische Perle, deren Spitze 468 m erreicht. Das Jin Mao Gebäude ragt als quadratischer Koloss 421m in den Himmel. Das Weltfinanzzentrum im Volksmund „Flaschenöffner“ genannt, ist derzeit der Höchste in Shanghai mit seinen 492 m. Japaner haben ihn erbaut. Das wollen die Chinesen noch toppen, indem sie direkt da neben einen noch höheren Turm hinstellen.

Der Spaziergang über die gläserne oberste Ebene des Flaschenöffners ist wie ein Ausflug ins All. Aus der Vogelperspektive muten die wie Bauklötzchen verteilten Gebäude und Hochhäuser, die kunstvoll verschlungenen übereinander verschachtelten Straßenbänder mit dem Dauerverkehr, der Fluss Huangpu mit den großen Schiffen wie von einer anderen Welt an. Das Auge mag sich kaum mehr trennen von den Lichtern, die verschwenderisch das Stadtbild erstrahlen lassen. Ein Gang über die berühmte Hafenpromenade aus der Kolonialzeit, dem Bund, zeigt die einzigartige Silhouette des modernen Stadtteils Pudong.

Seit Beginn der Expo am 1. Mai wurde die Bautätigkeit in der 19 Millionen-Stadt einge stellt. Jetzt bricht sich ab und zu die Sonne durch den grauen Smog über der Stadt. Das Motto „Better City – better Life“ zeigt darin eine erste Wirkung. 3 Milliarden EURO haben sich die Chinesen die Infrastruktur für die Expo kosten lassen. Brücken, Tunnel, Ach senanbindung, Verdoppelung des U-Bahn-Netzes auf 420 km eine gewaltige Kraftanstren gung für ein gigantisches Projekt. Gewaltige Menschenströme bewegen sich auf die Ex po-Eingänge und die Sicherheitsschleusen zu. Allein das Kanalisieren solcher Menschen massen stellt ein logistisches Mammutunternehmen dar.

Der deutsche Pavillon ist einer der beliebtesten. Das bedeutet noch einmal lange Warte­schlangen vor dem Eingang. „Balancity“ steht für eine harmonische Stadt und nachhalti ger Entwicklung eines lebenswerten Gesellschaftsmodells. Der Konsul und stellvertreten de Generalbevollmächtigter des Deutschen Pavillons Dr. Peter Kreutzberger erklärt, dass bewusst Stereotypen über Deutschland und die Deutschen aufgegriffen worden sind wie Pünktlichkeit, Verlässlichkeit, Arbeitsamkeit und – Fußball. Der deutsche Pavillon hat die Idee einer begehbaren Skulptur umgesetzt, die innen und außen verbindet. Auf die Aus schreibung gingen 25 Vorschläge ein. Zum Zug kamen das Kreativteam von Milla und Partner, Stuttgart, das Architekturbüro Schmidhuber & Kaindl, München und das Bauinge nieursbüro von Nussli, Deutschland GmbH, bei Nürnberg.

Innovative Technik imponiert den Chinesen, sei es bei der Mobilität, dem Wohnungsbau, der alters- und behindertengerechten Innenausstattung, der Nutzung umweltverträglicher Energie. Letzteres ein ganz brennendes Thema für die Chinesen. Die Umweltverschmut zung hindert China an der Weiterentwicklung führt Kreutzberger aus. Energieeinsparung ist wichtig geworden. 55% der Häuser seien aus energetischen Gesichtspunkten abgeris sen und neu erbaut worden. China setzt als Substitut für die Kohle auf Atomkraft und will bis 2040/50 einen Energiemix erreichen.

Mit Farbe, Design und Formen präsentiert sich die deutsche Kultur. Dem Spaßfaktor wird eine Rutsche gerecht. Ein Marktplatz zeigt die verrückte Seite Deutschlands. Ein Musiker hat Laute und Geräusche aus deutschen Städten aufgenommen und zusammenkompo niert. Bilder dazu präsentieren eine quirlige bunte lebensfrohe Gesellschaft. Ein Höhe punkt ist eine 1Tonnenschwere Eisenkugel mit 3D-Technik, die von zwei jugendlichen Re präsentanten in Schwingung versetzt wird und in bunten Farbansichten erglüht. Die Be gegnung zwischen Deutschland und China wird von Austauschstudent Jens und der chi nesischen Architekturstudentin Yan Yan emotionsgeladen dargestellt. Die Eisenkugel der Uni Stuttgart wird durch gemeinsames Rufen und Schreien, animiert auf Chinesisch und auf Deutsch in Bewegung gesetzt.

Kein Wunder, dass der deutsche Pavillon mit dem 1. Preis ausgezeichnet wurde. Und doch wieder erstaunlich, denn mit viel Ideenreichtum haben sich auch die anderen Natio nen ein großartiges Denkmal gesetzt. Die Schweizer lassen einen Sessellift auf das Dach des Pavillons fahren, wo eine Almwiese sie erwartet. Die Österreicher präsentieren ihre Bergwelt und die vier Jahreszeiten in 3D. Eine Schneemaschine erzeugt Schneebälle, die die Besucher dann auf eine sensible Wand mit Projektionsflächen werfen können. Ein klei nes Kammerorchester sorgt für klassische Livemusik. Viele Pavillone hätten einen Besuch gelohnt. Ein Haus sei noch hervorgehoben, das chinesisch-deutsche Gemeinschaftspro jekt in Bambuskonstruktion, das von der Uni Braunschweig zusammen mit zwei chinesi schen Partneruniversitäten errichtet wurde und Ansätze für neues Bauen zeigt.

Gigantisch, megalomanisch, aber dennoch respekteinflößend stellt sich China dar, ein Land im Aufbruch mit bewundernswerten Leistungen und vielen ungelösten Problemen. Seine „begegnungsfreien“ Bahnhöfe und Flughäfen stellen alles Bekannte in den Schat ten, die jahrhundertealte Kultur und Tradition heischen Respekt und Hochachtung.